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Gemeine Wegwarte – nicht nur Kaffeeersatz

in Gartenfachberatung

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Um zu wissen, ob es schon Zeit für den 5-Uhr-Tee am Nachmittag ist, benötigte der schwedische Naturforscher Carl von Linné keine Uhr. Er blickte einfach aus dem Fenster auf die von ihm 1745 angelegte Blumenuhr im Botanischen Garten von Uppsala. Dort hatte er seinen Erkenntnissen folgend verschiedene Blumen in Form eines Ziffernblattes angeordnet und erkannte anhand ihrer Blüte, wie spät es gerade war. In den frühen Morgenstunden soll dort die Wegwarte geblüht und als eine der ersten Blumen des Tages ihre Blüten geöffnet haben. So zumindest will es die Legende. Ob Linné tatsächlich eine solche Blumenuhr angelegt hat, ist umstritten. Unumstritten ist jedoch, dass sich die leuchtend blauen Blüten der Wegwarte (Cichorium inty bus) tatsächlich gegen 5 Uhr morgens öff nen, für wenige Stunden blühen und sich bereits ab 11 Uhr wieder schließen. Dabei blüht jede Blüte nur ein einziges Mal.

Die blauen Blüten der Gemeinen Wegwarte sind in Kombination mit vielen anderen Blühpflanzen vor allem an Weg- und Feldrändern anzutreffen. Foto: Udo Altmann/pixelio.de

Blüten öffnen sich frühmorgens

Die krautige zweijährige Pflanze, die Linné dem Mythos zufolge die Zeit wies, erreicht eine Höhe von bis zu 150 cm und ist entsprechend ihres Namens vor allem an Wegrändern zu fi nden. Sie bevorzugt sonnige Standorte und eher trockene Böden, mag jedoch keine Staunässe. Ansonsten ist die Wegwarte weitestgehend anspruchslos und kann im Garten in Beeten und Kübeln gepflanzt werden.

Charakteristisch sind die aus Zungenblüten bestehenden leuchtend blauen Blütenkörbchen sowie die schrotsägeförmig geschnittenen Grundblätter, die an Löwenzahnblätter erinnern. Mit diesem hat die Wegwarte auch die kräft ige Pfahlwurzel gemeinsam, mit der sie sich tief im Boden verankert. Die Blüte erstreckt sich von Ende Juni bis Anfang Oktober, ist jedoch meist nur am Morgen zu beobachten.

Heute wächst die hierzulande bei Bienen und Insekten beliebte Blume, die ursprünglich in Europa, Zentralasien und Nordafrika heimisch ist, fast nur noch in Süddeutschland. Bundesländer wie Hamburg und Niedersachsen führen sie bereits auf der Roten Liste als gefährdete Art.

Lange Geschichte als Heilpflanze

Dabei blickt die Wegwarte auf eine lange Geschichte als Heilpflanze zurück. Bereits im Altertum und im alten Ägypten schätzten Kräuterkundige ihre Wirkung und setzten sie bei Verdauungsbeschwerden, zur Anregung des Appetits sowie bei Ekzemen und Hautausschlägen ein. Der hohe Gehalt des Ballaststoffes Inulin, der vor allem in den Wurzeln zu finden ist, soll sich positiv auf den Insulinspiegel und die Tätigkeit der Darmbakterien auswirken. Die Bitterstoffe Lactucin und Lactucopikrin wirken appetitanregend und helfen der Verdauung. Diese sind in der gesamten Pflanze zu finden, die bedenkenlos verzehrt werden kann.

Die Bitter- und Gerbstoffe in den Blättern machen die Wegwarte in der italienischen Küche zu einer geschätzten Kochzutat. Dort werden die Blätter gedünstet wie Spinat als Beilage oder in Füllungen verwendet. Roh kommen sie als Zutat für Salate zum Einsatz. Da die Blätter mit der Zeit bitterer werden, eignen sich vor allem junge Triebe für die Verwendung in der Küche. Zwischen September und März können die Wurzeln geerntet und geschält als Koch- und Backzutat oder als Pfannengemüse gegessen werden.

Kaffeeersatz nicht erst in DDR-Zeiten

Vielen Menschen dürfte die Wegwarte hingegen als Zichorienkaffee bekannt sein – der sogenannte „Muckefuck“. Bereits im 18. Jahrhundert fügte man die getrocknete und geriebene Wurzel der Wegwarte dem damals sehr teuren Bohnenkaffee bei. Zum vollständigen Kaffeeersatz wurde die Pflanze im frühen 19. Jahrhundert, als die Einfuhrverbote und hohe Zölle unter Friedrich dem Großen den echten Bohnenkaffee immer unerschwinglicher machten. Hierzulande war „Muckefuck“ vor allem in der Nachkriegszeit und in der DDR bekannt. Neben Wegwarte (Zichorie) waren oft verschiedene Getreidesorten und andere Pflanzenteile enthalten. Einer der bekanntesten Ersatzkaffees, der Caro Landkaffee, ist bis heute erhältlich und setzt auf eine Mischung aus Gerste, Gerstenmalz, Zichorie und Roggen.

Die Wegwarte ist recht anspruchslos und gedeiht selbst auf kargen Sandböden. Foto: ps

Auch in einer Bienenweide aus verschiedenen Blühpflanzen zieht die Wegwarte wie hier in einem Hochbeet zahlreiche Insekten an. Foto: ps

Chicorée ist eine Kulturform

Doch die Wegwarte oder Zichorie ist nicht nur beim koffeinfreien Kaffeeersatz zu finden, sondern auch im Gemüseregal. Die sogenannte Salatzichorie kennen viele unter ihrem üblichen Namen Chicorée (Cichorium inty bus var. foliosum). Dabei handelt es sich um eine Kulturform der Gemeinen Wegwarte. Gleiches gilt für den Radicchio (ebenfalls Cichorium inty bus var. foliosum), dessen – je nach Zucht – ty pische Pflück- und Kopfsalatform kaum noch an den blumigen Ursprung aus Linnés Blumenuhr erinnert.

Achtung: Der Anbau von Kräutern und Heilpflanzen zählt nur in geringem Maß zur kleingärtnerischen Nutzung gemäß der sächsischen Rahmenkleingartenordnung. Vorrang sollten immer Obst- und Gemüsepflanzen haben.

Steckbrief: Gemeine Wegwarte

  • Name: Cichorium intybus, auch Zichorie, Wegleuchte, Rauer Heinrich, Kaffeekraut oder Blaue Distel genannt;
  • Familie: Korbblütler (Asteraceae);
  • Verbreitung: ursprünglich in Europa
    (außer Großbritannien, Island und Irland), Zentralasien und dem westlichen Himalaya und Nordafrika beheimatet, heute in ganz Europa, weiten Teilen Asiens und Nordafrika verbreitet;
  • Standort: sonnige, trockene Böden, an Wegrändern, Brachflächen und auf Wiesen und Weiden;
  • Aussehen: blaue bis lavendelfarbene (je nach Sorte auch weiße) Blütenkörbchen mit zweireihigen Zungenblüten, Grundblätter schrotsägeförmig und fiederschnittig, Stängelblätter länglich und lanzettförmig;
  • Essbarkeit: alle Pflanzenteile sind essbar und ungiftig, verwendet werden in der Regel die Blätter und Wurzeln;
  • Verwendung: Heil- und Wildgemüsepflanze, als Tee oder Kaffeeersatz, Tinktur zum Einnehmen;
  • Wirkung: appetitanregend, stimuliert die Verdauungssäfte, abführend, Verdauung verbessernd, entzündungshemmend, leberverbessernd;
  • Anwendung: bei Verdauungsbeschwerden und Appetitlosigkeit, als Umschlag bei Ekzemen und Hautausschlägen;
  • Darreichung: Blätter frisch als Salatzutat oder gedünstet als Spinatersatz, Wurzel getrocknet als Tee und Kaffeeersatz, frische Blätter zerrieben als Umschlag, als Tinktur zum Einnehmen.

Unsere Rezeptecke:

Wegwarte-Tee/Zichorien-Tee
1 EL getrocknete und kleingeschnittene Wegwarte-Wurzeln mit 250 ml kaltem Wasser übergießen und zum Kochen bringen. 2–3 Minuten köcheln lassen und abseihen. Bei Verdauungsproblemen oder Appetitlosigkeit 2–3 Tassen täglich trinken.

Zichorienkaffee
Gewünschte Menge an Wegwarte-Wurzeln schälen, in kleine Stücke schneiden und trocknen (bei Zimmertemperatur oder bei 30 bis 40 Grad im Backofen). Anschließend ohne Fettzugabe bei niedrigerer bis mittlerer Temperatur in der Pfanne rösten und nach dem Abkühlen zu Pulver zermahlen. Pulver wie Bohnenkaffee in der Filtermaschine zubereiten.

Wegwarte-Sirup
50 g getrocknete Wegwarte-Wurzeln mit 600 ml Wasser übergießen, zudecken und mindestens 8 Stunden ziehen lassen. Mischung in einen Topf geben, alles zusammen aufkochen und 20 Minuten auf kleiner Flamme köcheln lassen. Die Wurzeln sollten immer mit Wasser bedeckt sein, gegebenenfalls nachschütten. Nach dem Abkühlen die Mischung durch ein feines Sieb oder einen Papierfi lter abseihen und den aufgefangenen Saft noch einmal kurz erhitzen. 300 g Rohrzucker hinzufügen und aufkochen. Fertigen Sirup in eine dunkle Flasche füllen und kühl aufbewahren. Bis zu dreimal täglich 1 TL hilft bei Verstopfung und Verdauungsbeschwerden.

Carmen Kraneis
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