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Erster “Runder Tisch” in Sachsen zur Entwicklung des Kleingartenwesens

in LV Sachsen
3 Min. Lesedauer

Von ps

Interessantes Format mit großem Erfolg

Der Ratskellersaal in Rodewisch erlebte am 15. April 2023 eine besondere und zugleich gelungene Premiere: Die beiden Kleingärtnerverbände im Vogtland – der Regionalverband „Göltzschtal“ und der Regionalverband Vogtländischer Kleingärtner – hatten zwei Dutzend Politiker von der Bundes- bis zur regionalen Ebene eingeladen, um ihnen die Probleme bei der Entwicklung des Kleingartenwesens in Stadt und Land nahezubringen und gemeinsam über mögliche Lösungswege nachzudenken. Um es vorwegzunehmen – diese Zusammenkunft mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages und des Sächsischen Landtages sowie mit Kommunalpolitikern war ein voller Erfolg!

LSK-Präsident Tommy Brumm (5.v.l.) und LSK-Präsidiumsmitglied Gerd Steffen (6.v.l.) konnten zum ersten Runden Tisch auf Landkreisebene zu Fragen des Kleingartenwesens in Sachsen mehrere Bundes-, Landes- und Kommunalpolitiker begrüßen – unter ihnen die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Yvonne Mogwas (CDU, 4.v.l.). Foto: ps

„Das ist ein ganz tolles Format, und ich bin sehr beeindruckt von dieser Veranstaltung“, unterstrich beispielsweise MdB Yvonne Mogwas (CDU), Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. „Ich freue mich, dass die Dachverbände nicht nur Lobbyarbeit leisten, sondern sich als Dienstleister für die Vereine und Parzellenpächter entwickeln und die bestehenden Probleme offen ansprechen, um gemeinsam Lösungen zu finden – das ist eine Win-Win-Situation für alle. Deshalb gebührt mein großer Dank sowohl den Mitarbeitern in den Geschäftsstellen als auch vor allem den ehrenamtlich tätigen Vorständen. Ich habe heute das Kleingartenwesen im Detail kennengelernt und plädiere dafür, die Zukunft der kleinen Gärten in die Stadtentwicklungskonzepte aufzunehmen.“ Am “Runden Tisch” habe sie das Kleingartenwesen ihrer Heimat mit immerhin 400 KGV und rund 2000 ehrenamtlich tätigen Gartenfreunden erst so richtig kennengelernt.

Neben Gartenfreunden der beiden Vogtländischen Regionalverbände sowie von den Nachbarverbänden Schwarzenberg und Zwickau Land hatten sich zum “Runden Tisch” Kleingartenwesen im Vogtland rund 20 Politiker aller Ebenen im Ratskellersaal von Rodewisch eingefunden. Foto: ps

Klare Analyse bringt Politiker aller Ebenen zum Nachdenken

Auch für den LSK-Präsidenten Tommy Brumm und LSK-Präsidiumsmitglied Gerd Steffen, die in den beiden vogtländischen Verbänden selbst Verantwortung tragen, war die über zweistündige Debatte am “Runden Tisch” erfolgreich – auch, weil er einige „Ecken und Kanten“ bei der Entwicklung der Kleingärten in der Region aufzeigte und die Gartenfreunde dennoch positiv in die Zukunft schauen lässt. „Es ist für uns ein großer Schritt nach vorn, wenn nunmehr auch die Städte Plauen und Klingenthal das Modell Pachtrücklauf mit ihren Stadträten diskutieren wollen, um so mit kommunalen Mitteln den Rückbau nicht mehr benötigter Parzellen zu unterstützen“, freute sich Tommy Brumm. Und die Teilnahme auch der MdL Andreas Heinz, Sören Voigt und Stephan Hösel (alle CDU) ließen einen Gedankenaustausch außerhalb der rein kommunalen Ebene zu. Dieser Gedankenaustausch soll zeitnah in weiterführenden Gesprächen des LSK mit Vertretern des Landtages zu Fördermöglichkeiten für das Kleingartenwesen vertieft werden.

(1) Tommy Brumm berichtete als Vorsitzender des Regionalverbandes „Göltzschtal“ über die Fortschritte beim Rückbau nicht mehr benötigten Gartenlandes dank des anteiligen Rücklaufs kommunaler Gartenpachteinnahmen. (2) Gerd Steffen vom Regionalverband Vogtländischer Kleingärtner analysierte die demografische Entwicklung bis zum Jahre 2035 und die Konsequenzen für das regionale Kleingartenwesen. Fotos: ps

Denn allein können die Gartenfreunde die Leerstandsproblematik, die in Zukunft aufgrund der demografi schen Entwicklung noch gravierender werden wird, und den Rückbau der Baulichkeiten und Anpflanzungen auf den nicht mehr bewirtschafteten Parzellen nicht bewältigen. Das wiesen die beiden Vertreter des Kleingartenwesens mit einer tief gehenden Analyse in Zahlen und Fakten nach: In beiden Regionalverbänden werden derzeit insgesamt 11.470 Kleingärten aktiv von Pächterfamilien bewirtschaftet, womit mehr als 23.000 Vogtländer dem „schönsten Hobby der Welt“ nachgehen und direkt mit dem Kleingartenwesen zu tun haben.

Gleichzeitig stehen schon jetzt 1705 Kleingärten vor allem im ländlichen Bereich leer. Ihre Zahl wird sich bis zum Jahre 2031 auf 2750 unbewirtschaftete Parzellen erhöhen. Denn für die Zukunftsperspektive einer Kleingartenanlage ist vorrangig die Entwicklung der nachfragenden Bevölkerungsgruppe entscheidend – also die 30- bis unter 45-Jährigen. Diese Menschen haben den Berufseinstieg weitestgehend abgeschlossen, und die Familienplanung beginnt. Mit dieser „Sesshaftwerdung“ startet auch die Ausgestaltung des Lebensumfeldes, sodass Kleingärten vorrangig aus dieser Altersgruppe nachgefragt werden.

Parzellenleerstand wird nicht nur im Vogtland weiter zunehmen

Doch ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung geht bis 2035 um rund 17 % zurück – sie ist am stärksten vom Bevölkerungsrückgang betroffen. Und nach 2035 werden alle Jahresscheiben des durch die geburtenschwachen Jahrgänge der 1990er-Jahre besetzt sein. Allein wegen dieser demografischen Entwicklung dürfte sich der Pachtausfall von jetzt 54.560 auf dann rund 88.000 Euro erhöhen, denn jeder Landeigentümer fordert natürlich die Pacht für die gesamte verpachtete Fläche einschließlich der Leergärten. Damit würde sich die finanzielle Mehrbelastung für die verbliebenen Nutzer um etwa ein Drittel erhöhen – nur, um die Leerstände zu kompensieren.

(1) Am Rande der Beratung tauschten sich die Teilnehmer zu Fragen der Kleingärtnerei aus, hier mit MdL Andreas Heinz (2.v.l.), MdB Yvonne Mogwas (2.v.r.) und MdL Sören Voigt (r.). (2) Der 1. stellvertretende Oberbürgermeister von Reichenbach/Vogtland Thomas Höllrich (r.) bekannte sich im Gespräch mit den Gartenfreunden einmal mehr zum Pachtrücklauf. Fotos: ps

Enorme Kosten für den Rückbau nicht mehr genutzter Kleingärten

Ein weitaus größeres Problem stellt jedoch die Komplettberäumung und fachgerechte Entsorgung einer bebauten Parzelle dar, um das gepachtete Land ohne Aufbauten und Anpflanzungen an den Grundeigentümer zurückgeben zu können. Der geschätzte Kostenrahmen beträgt pro Parzelle rund 4000 Euro – Tendenz (nicht nur wegen der Infl ation) steigend. Damit würden sich die Gesamtkosten für die Um- und Rückbauprozesse allein im Vogtland bereits jetzt auf ca. 6,8 Millionen Euro belaufen und bis zum Jahre 2031 nahezu verdoppeln. Demnach müssten die Gartenfreunde in der Region ab 2023 jährlich über eine Million Euro allein für die Leerstandsbeseitigung aufbringen – und sind damit natürlich völlig überfordert.

Im Fall der Fälle wären die Regionalverbände gezwungen, Insolvenz anzumelden, die bestehenden Pachtverträge und der Bestandsschutz würden hinfällig werden und das Kleingartenwesen auf der Fläche verschwinden. Aber genau das liegt keineswegs im Interesse der Städte und Gemeinden, die selbstverständlich wissen, welchen „Schatz“ gerade die Kleingartenanlagen mit ihren vielfältigen Funktionen für ein lebenswertes Wohnumfeld der Bürger darstellen.

Aus diesem Grunde hatte sich der Regionalverband „Göltzschtal“ bereits seit 2015 an jene Städte, von denen er Kleingartenland gepachtet hat, gewandt, die Probleme aufgezeigt und darum gebeten, einen geringen Teil der Pachteinnahmen in den Verband zurückzugeben, um den Rückbau zu unterstützen. Dieses Ansinnen hatte – beginnend in Reichenbach – zunehmend Erfolg. Mit diesem Rücklaufgeld konnte eine zusätzliche Arbeitsstelle geschaffen werden, die die Vorhaben begleitet und durch gute Organisation die Wirkung des von Kommunen und Verband eingesetzten Rückbaugeldes vervielfacht.

Nach dem „Runden Tisch“ könnte dieses Beispiel weiter Schule machen: „Es ist sehr gut, im offenen Gespräch die anstehenden Probleme deutlich zu benennen, sich zu vernetzen und gemeinsam nach Wegen und Lösungen zu suchen“, bekräftigte Plauens Oberbürgermeister Steffen Zenner. „Veränderung kennt keine Freunde, deshalb müssen wir uns für die Zukunft gemeinsam neu aufstellen. Deshalb plädiere ich für eine finanzielle Unterstützung des Rückbaus durch die Kommunen, was angesichts leerer Kassen und vielfältiger werdender Aufgaben jedoch nicht das Allheilmittel sein kann.“ Leider gibt es nach wie vor kein Förderprogramm – weder auf Bundes- noch auf Landesebene –, das sich dem dringend benötigten Rückbau von Kleingartenland öffnet, kritisierte Reichenbachs 1. stellvertretender Oberbürgermeister Thomas Höllrich. „Über die Instrumente Kleingartenbeirat und Kleingartenentwicklungskonzeption kann es nur mithilfe auch von Bundes- und Landesmitteln gelingen, ehemalige Kleingartenanlagen als dringend notwendige Grünanlagen für unsere Einwohner dauerhaft zu erhalten.“

Bei weiteren „Runden Tischen“, die gegenwärtig in enger Zusammenarbeit mit den Landräten für das Erzgebirge und für Nordsachsen vorbereitet werden, wird es sicherlich auch um diese Problematik gehen.

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